Farbsysteme sind unverzichtbare Werkzeuge für die zuverlässige Planung und Realisierung von Farbkonzepten.
Sie dienen in erster Linie der Organisation der Farbwelten, der Kommunikation zwischen Bauherren, Planer und Ausführenden, als Referenz und als Orientierungs-Hilfe.
Die wichtigsten Systeme, die sich auf einen theoretischen Farbraum beziehen:
- NCS
- RAL Design
- StoColor System
- Sikkens ACC Color Map / 4041 Color Concept
- etc.
Diesen Farbsystemen ist gemeinsam, dass sie sich – mehr oder weniger – an der klassischen Farbenlehre und dem Lab-Farbraum orientieren. Am Beispiel des NCS-Farbsystems will ich das etwas näher beschreiben (die anderen obengenannten Systeme sind nicht wesentlich anders organisiert):
Auf der horizontalen Ebene bewegen wir uns konzentrisch (im Kreis um den Mittelpunkt) durch die Bunt-Töne (Gelb – Orange – Rot – Violett – Blau – Grün – Gelb) sowie radial (vom Mittelpunkt nach aussen) von totaler Unbuntheit hin zur maximalen Farbsättigung. Im Zentrum des Farbraumes herrscht die theoretisch absolute Neutralität, da gibt es «keine Farbe», sondern ein undefinierter Unzustand, der weder bunt, weiss, oder schwarz ist. Das totale Graua sozusagen.
In das Zentrum dieses klassischen Farbkreises setze man eine Vertikal-Achse. Diese wird (von oben nach unten) in 10 […] Abstufungen von Weiss nach Schwarz unterteilt.
Die Positionierung in diesem «Koordinatensystem» (Position auf dem Farbkreis, Entfernung vom Zentrum, vertikale Position) ergibt einen eindeutigen Farbwert. Solcherart generierte Farbwerte sind theoretisch quantifiziert und können somit Mediums-unabhängig kommuniziert werden: Am Bildschirm (in Zeichen-, CAD-, Visualisierungs- und Animationsprogrammen, im Webbrowser etc.), auf Farbmuster und Farbfächern, und für die Anwendung aus dem Mischcomputer in allen verfügbaren Materialien.
Das stimmt so natürlich nicht ganz, in der Realität bewegen wir uns am Monitor im RGB-Farbraum, und dieser ist ein sogenannter additiver Farbraum: Die Addition aller Farben ergibt Weiss.
In der Welt der materiellen Farben verhält es sich andersrum: Die Addition aller Farben ergibt Schwarz. Weiss ist (theoretisch) das Fehlen aller Farben. Und in der Praxis ist weiss ein Pigment, wie alle anderen Farben auch.
Ferner existieren keine derart genauen/neutralen Grundfarben, die es erlaubten, die Theorie eins zu eins umzusetzen.
Das Ergebnis ist dann eine Annäherung. Die besseren werden aus 12 Grundtönen angemischt, und es gibt welche, die mit noch weniger Basistönen auskommen.
So. Dann kommen noch die Ungenauigkeiten der Mischcomputer dazu, die unterschiedlichen Reaktionen und Eigenfarben der Bindemittel, und wir haben den Schlamassel, bzw. den einigermassen der NCS-Karte entsprechenden Farbton.
Diesen Systemen sind mehrere Probleme eigen:
Theorie und Praxis sind nur näherungsweise deckungsgleich.
Die Farbräume gehen immer vom Buntton in einen Grau-Ton über (einander gegenüberliegende Farben haben keinen Berührungspunkt)
Die Mischpasten (die «Farbe») sind eher als Zuschlagsstoffe zu verstehen, und nicht den Medien.
Prinzipiell ganz anders ausgelegt, in der Anwendung von denselben Schwächen betroffen ist das RAL-Classic-System – dieses hat seine Wurzeln in der materiellen Welt, es war damals ein erster Ansatz, für bestimmte Zwecke oder Firmen benutzte Farben zu typisieren.
RAL Classic ist ebenfalls dem Farbkreis entsprechend geordnet, aber es sind immer Mischungen und keine „reinen“ Farbtöne, und daher sind kaum zusammenhängende Abstufungen enthalten. Die Herstellung eines RAL-Farbtons unterliegt denselben Vor- und Nachteilen aller anderen Industrie-Systeme und ist daher ebendort einzuordnen. Gleichzeitig ist RAL Classic mit einer anderen Kategorie Farbsysteme verwandt: Mit den Farbsystemen, die gar keine sind, sondern als «Farb-Kollektionen» zu verstehen sind:
KEIM (AV, Exclusiv, …)
KT.Color
Beeck
und andere.
Diese Systeme haben nämlich das Pigment als Referenz, und mit Pigmenten werden die Farben hergestellt. Es gibt hier keine strenge Systematik, bzw. diese dient der Übersichtlichkeit und ist eher zweitrangig. Auf die Spitze hat es die Firma KT.Color getrieben, die der Ästhetik, der Entfaltung der Farb- und Leuchtkraft der Pigmente erste Priorität (bei der Feinabstimmung der Farbtöne, nicht bei der Qualität der Materialien!) gibt.
Farben, die von den Eigenschaften „echter“ Pigmente getragen werden, haben immer einen Tick. Mal ist das Rot grünstichig, ein andermal ist das Blau rotstichig, wieder andere schimmern, je nach Tageslicht, in allen Farben. Viele sind industriell kaum oder gar nicht reproduzierbar, stellen höchste Anforderungen an Hersteller, Planer, Gestalter und Verarbeiter – kurz, diese Farben sind für Planer und Handwerker ein Horror. Da kann man nicht mit einer Farbkarte herumwedeln, schnell einen Farbton durchs Telefon bestellen und vor Ort mit Abtönpasten nachkorrigieren. Vermillon ist Vermillon, Azurit ist Azurit, Ultramarinviolett ist Ultramarinviolett, und Nelkenrosa Nelkenrosa. Und glauben Sie mir, es gibt viele, viele Pigmente. (Von den historischen oder hochgiftigen, nicht mehr verfügbaren Sorten ganz abgesehen – Mumienschwarz! Frittenblau! Operngelb! Bleiweiss!)
Diese Pigmente haben dann jeweils auch noch sehr spezifische Eigenschaften, die berücksichtigt werden wollen. Erstens sind sie nicht konsistent im Farbton – 2 Chargen desselben Pigments, desselben Herstellers können durchaus unterschiedliche Farbnuancen aufweisen, und zweitens können sie für Ölfarben komplett ungeeignet sein, oder nur für Lasuren, oder sie sind nicht Kalk-beständig, etc. Es ist also durchaus eine gewisse Vorsicht angebracht, wobei im Normalfall der Farb-Hersteller die nötigen Massnahmen getroffen hat.
In diesem Materie-Wirrwarr eine systematische Ordnung bringen ist kaum möglich. Daher und weil viele bzw. die Mehrzahl der möglichen Pigmente schon lange gar nicht oder nur beschränkt einsetz- und verfügbar sind, beschränken sich die Farbhersteller auf eine vernünftige, d.h. überschaubare Palette, mit denen sie Ihre Ziele erreichen. Diese Farben – korrekten Einsatz und Verarbeitung vorausgesetzt – sind unschlagbar vielfältig und brillant.