Manche mögens Weiss

Zugegeben, der Titel ist so reisserisch wie platt.

Indes – an der Kernaussage ist nicht zu rütteln: Bunte oder auch nur gedämpfte Farbtöne sind – für Mensch und Raum – nicht immer die beste Lösung. Je nach Situation kann Weiss tatsächlich die beste aller Möglichkeiten sein.

Aber – wie überhaupt alle Farbwelten ist auch die Welt der Weisstöne vielfältig und fein nuanciert, und es sollte umso sorgfältiger auf die Nuancierung geachtet werden, gerade weil Weiss mit kleinen Kontrasten, tiefen Schatten und starken, ausgeprägten Reflexionen konfrontiert wird. Schon kleine Verschiebungen lassen einen Weiss-Ton abschmieren, nur allzuschnell ist es zu süss oder ein dumpfer, gräutscheliger Sumpf geworden.

Brillanz

Die Brillanz und Leuchtkraft, wie man es von griechischen Dörfern oder der „citta bianca“ in Apulien kennt (wo die weissen Häuser auch noch im Dämmerlicht zu leuchten scheinen), sind in der mitteleuropäischen Sonne nur schwer zu reproduzieren. Es sind nicht nur die weissen Oberflächen, sondern auch das Sonnenlicht, und nicht zuletzt auch Staub- und Russ-Partikel in der Atmosphäre, die auf die Leuchtkraft wirken.

Rohstoffe

Voraussetzung dafür ist die Verwendung der richtigen Rohstoffe: Kristalline Pigmente, wie Kreide, Marmormehl, Kaolin, und Sumpfkalk… Erst mit den richtigen Pigmenten beginnen weisse Räume im Licht zu leben, die Kontur zu zeichnen, Reflexionen „bunt“ zu reflektieren, und im Schatten zu „stehen“.

Mit ein paar im Web recherchierten REM-Aufnahmen sei das an sich nicht Abbildbare illustriert:

Während Titandioxid allgemein als das weisseste Weiss dargestellt wird – es hat wohl den höchsten Brechungsindex von 2,7 und damit die höchste Deckkraft – hat es durch seine kugelige, gleichmässige Form eine diffuse Lichtstreuung. Reflexionen und Schatten sind dadurch deutlich weniger brillant und konturiert.

Nicht weniger wichtig ist natürlich auch das Bindemittel – je nachdem, wie dicht dieses die Pigmente umschliesst, wird auch die Leuchtkraft der enthaltenen Pigmente beeinflusst. Als grobe Daumenregel gilt, je stärker die Farbe abgebunden ist, desto stumpfer wird der Farbeindruck ausfallen.

Sumpfkalk ist eine Ausnahme: Es ist im fertig karbonisierten Zustand reiner Kalk, also Kalkstein, also Pigment und Bindemittel zugleich – mit den beigemischten Pigmenten und Zuschlagstoffen als „Verunreinigung“.

Physikalisches

Die Kombination Bindemittel – Pigment spielt eine (Haupt-) Rolle, dieses Zusammenspiel ist hochkompliziert und hat mit dem jeweiligen Brechungsindex der Materialien zu tun: Pigment und Bindemittel müssen einen möglichst unterschiedlichen Brechungsindex haben, um eine gute Deckkraft (und damit auch Farbbrillanz) zu ermöglichen.

«Bling-Bling»

Es gibt natürlich noch andere Möglichkeiten, weisse Oberflächen dramatisch zu inszenieren:

Ich denke da beispielsweise an mit weissem Marmorkalk geglättete Wände, in die Glimmer-Kristalle oder Perlmutt-Plättchen eingearbeitet werden. Oder, einfacher, weiss gestrichene Wände, mit eingeblasenem Glimmer / Perlmutt, obwohl das etwas aufgesetzt (notabene «aufgeblasen») wirkt.

Eine konventionellere Methode ist die Applikation eines „Perlmutt-Effekt-Lackes“, der eine Oberfläche je nach Lichteinfall farbig schimmern lässt.